Überraschend teilten die Krankenkassen jetzt mit, die Kosten für die so genannten Fehlfahrten nicht mehr übernehmen zu wollen. Foto: UvK/ Ennepe-Ruhr-Kreis.

Krankenkassen wollen Kosten für Fehlfahrten nicht mehr übernehmen

Last Updated: 4. Juni 2025By

(pen) Rettungsdienstbedarfspläne und Rettungsdienstgebühren: Darüber hat der Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises in den letzten Jahrzehnten immer wieder entschieden. Im Juni stehen neue Beschlüsse an – doch anders als in der Vergangenheit könnten damit erhebliche Konflikte mit den Krankenkassen verbunden sein. Denn bei den Verhandlungen über die Gebührensatzung für den Rettungsdienst des Kreises teilten die Krankenkassen überraschend mit, dass sie nicht mehr für die sogenannten „Fehlfahrten“ des Rettungsdienstes aufkommen wollen.

Landrat kritisiert Kurswechsel

„Ich finde es unverantwortlich von den Krankenkassen, eine seit Jahrzehnten bewährte Übernahme der Kosten von Fehleinsätzen plötzlich einzustellen“, ärgert sich Landrat Olaf Schade über den Kurswechsel der Krankenkassen, der sich auch schon bei anderen Kreisen und Städten in Nordrhein-Westfalen gezeigt hat. „Es gilt unter allen Umständen zu verhindern, dass der Streit auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen wird, die fürchten müssen mehrere hundert Euro für notwendige Rettungstransporte nicht von ihren Krankenkassen ersetzt zu bekommen“, so Schade.

Bis zu 25 Prozent Fehlfahrten

Die so genannten Fehlfahrten entstehen, wenn ein Rettungswagen alarmiert wird, anschließend aber kein Transport der Patientin oder des Patienten in ein Krankenhaus erfolgt. Das kann verschiedene Gründe haben: zum Beispiel, wenn die betroffene Person den Transport verweigert, vor Ort medizinisch versorgt wird, ohne dass eine Weiterbehandlung in einer Klinik notwendig ist oder am Einsatzort verstirbt. Im Ennepe-Ruhr-Kreis machen diese Fehlfahrten ungefähr 20 bis 25 Prozent der Einsätze im Rettungsdienst aus.

Patienten müssten Kosten übernehmen

Sollten die Krankenkassen die anfallenden Kosten für Fehlfahrten nicht mehr übernehmen, muss der Kreis als Träger des Rettungsdienstes die finanziellen Mittel zunächst vorhalten. Der Kreis ist aber gesetzlich verpflichtet, den Rettungsdienst kostendeckend zu organisieren. Sollten die Krankenkassen demnach bei ihrem Vorhaben bleiben, bliebe der Kreisverwaltung keine andere Möglichkeit, als die offenen Beträge direkt bei den Patientinnen und Patienten einzufordern.

Unterschiedliche gesetzliche Regelungen

Hintergrund des Handelns der Krankenkassen ist, dass sie erstmals eine bundesgesetzliche Regelung des SGB V neu interpretieren, wonach die Übernahme der Kosten für Fahrten des Rettungsdienstes nur dann für die Krankenkassen verpflichtend sei, wenn auch ein Transport stattgefunden habe. Dem steht allerdings das Rettungsgesetz auf Landesebene entgegen, welches Fehlfahrten ausdrücklich als ansatzfähige Kosten einordnet.

Gebührensatzung Thema im Kreistag

Für die anstehende Sitzung des Kreistages am 30. Juni wird die Verwaltung der Politik daher die ursprünglich kalkulierte Gebührensatzung für den Rettungsdienst des Ennepe-Ruhr-Kreises vorlegen und zur Abstimmung stellen, da für den Beschluss der Satzung die Zustimmung der Krankenkassen nicht notwendig ist.

Vorübergehende Lösung finden

Um die Problemstellung mit den Krankenkassen in NRW zu lösen, wurde bereits durch das Landesgesundheitsministerium ein Gesprächsformat gemeinsam mit den Spitzenverbänden von Landkreis- und Städtetag sowie Vertretern der der Krankenkassen geschaffen. „Ich erwarte, dass sich die Krankenkassen jetzt auf Gespräche mit den Kreisen einlassen, um zumindest eine vorübergehende Lösung zu finden, bis eine Reform der Gesetzeslage auf Bundesebene erfolgt ist“, appelliert Schade an die Krankenkassen.

Stichwort Rettungsdienstbedarfsplan und Gebührensatzung

Kreise und kreisfreie Städte sind als Träger des Rettungsdienstes verpflichtet, die bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung einschließlich der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst und des Krankentransportes sicherzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, stellt die Kreisverwaltung einen Bedarfsplan auf. Darin werden insbesondere Zahl und Standorte der Rettungswachen sowie die Zahlen der erforderlichen Krankenkraftwagen und Notarzt-Einsatzfahrzeuge festgeschrieben.

Gutachter für Rettungsdienstbedarfsplan

Da die Krankenkassen die Kosten des Rettungsdienstes tragen, erfolgt das Aufstellen und Abstimmen des Bedarfsplans in Zusammenarbeit mit diesen. Um die jeweils aktuelle Situation objektiv bewerten zu lassen, greift der Ennepe-Ruhr-Kreis beim Erstellen des Bedarfsplans auf einen Gutachter zurück. Die zu erwartenden Kosten für den Rettungsdienst erlässt der Ennepe-Ruhr-Kreis in einer Gebührensatzung. Diese Kostenplanung wird üblicherweise für jeweils ein Jahr vom Kreis kalkuliert und durch Beschluss der entsprechenden Gebührensatzung vom Kreistag festgesetzt.

Neukalkulation ausnahmsweise zum 1. Juli

Für das Jahr 2025 wurde durch die Verwaltung bereits Mitte 2024 beschlossen, die Neukalkulation nicht wie üblich zum 1. Januar, sondern ausnahmsweise zum 1. Juli vorzunehmen, da im Herbst 2024 die Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplans erforderlich war. Hiermit waren zwangsläufig deutliche Betriebskostensteigerungen zu erwarten. Daher wurde erst nach Fertigstellung der Kalkulation das gesetzliche geregelte Beteiligungsverfahren mit den Krankenkassenverbänden im 2. Quartal 2025 eingeleitet.