
IHK-Präsident Walter Viegener sieht zaghafte Anzeichen einer konjunkturellen Aufhellung. Foto: IHK
Zaghafte Anzeichen einer konjunkturellen Aufhellung
IHK-Konjunkturumfrage – Entschlossenes Handeln der neuen Bundesregierung notwendig
(EB). „Die Stimmung der heimischen Wirtschaft hat sich im Frühjahr etwas aufgehellt. Sowohl die Lagebeurteilung als auch die Zukunftserwartungen zeigen in die richtige Richtung. Aber: Aus dem tiefen Tal sind wir längst nicht heraus. Die konjunkturellen und strukturellen Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Nationale Herausforderungen und Verwerfungen in der globalen Handelspolitik durch Trumps Zolleskapaden erschweren die dringend notwendige Rückkehr zum Wachstum und machen es kaum prognostizierbar. Der Weg bleibt mühsam und steinig.“ Mit diesen Worten kommentiert IHK-Präsident Walter Viegener die Ergebnisse der neuesten IHK-Konjunkturumfrage, an der sich 476 Unternehmen mit mehr als 37.000 Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungsgewerbe in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligten.
Geschäftsprognose weniger trübe
Der Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartung – steigt um neun Punkte auf einen Wert von 92. Damit liegt er weiterhin deutlich unter dem Mittelwert der letzten 20 Jahre (105). Sowohl die Lagebeurteilung als auch die Geschäftsprognosen für den weiteren Jahresverlauf fallen weniger trübe aus als noch zu Jahresbeginn. 23 % der Unternehmen aus den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe bewerten ihre derzeitige wirtschaftliche Lage als gut. Zu Jahresbeginn waren es nur 17 %. Der seit drei Jahren anhaltende düstere Blick in die Zukunft ist im Frühjahr in nahezu allen Wirtschaftszweigen zudem weniger skeptisch. Walter Viegener: „In weiten Teilen zeigen die Ergebnisse sowohl Erleichterung als auch Hoffnung, dass die neue Bundesregierung den ,Turnaround‘ schaffen kann. Breiter Optimismus ist in die heimische Wirtschaft aber noch nicht eingekehrt. Entscheidend ist, dass die neue Bundesregierung schnell ins Handeln und Umsetzen kommt. Tempo und Verlässlichkeit sind das Gebot der Stunde. Nur so kann aus dem zarten Pflänzchen ,Hoffnung‘ Stück für Stück ein ,Aufschwung‘ erwachsen.“
Investitions- und Beschäftigungsabsichten verhalten
13 % der heimischen Betriebe planen in den kommenden Monaten mit höheren Investitionsausgaben. Dagegen gehen 30 % von geringeren Investitionen vor Ort aus (Jahresbeginn: 45 %). IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Thilo Pahl: „Eine Trendwende ist das noch nicht. Die Unsicherheit, wohin die Reise geht, ist weiterhin groß. Schleppende Genehmigungsverfahren, praxisferne Regelungen, hohe Kosten und Regulierungswut blockieren die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Oberste Priorität für die neue Bundesregierung muss sein, das Vertrauen der Unternehmen zurückzugewinnen und glaubwürdig ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Mutige Entscheidungen und echte Investitionsanreize – das ist es, was die Unternehmen jetzt brauchen.“ Bei den Beschäftigungsabsichten zeigt sich ein ähnliches Bild: Zwar planen 27 % der Unternehmen einen Beschäftigungsabbau, allerdings ist der Anteil rückläufig. Zu Jahresbeginn waren es noch 34 %.
Risikobewertung rückläufig
Auch im Frühjahr stellen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für die heimischen Unternehmen das größte Geschäftsrisiko dar (69 %), gefolgt von der Inlandsnachfrage (62 %) und den Arbeitskosten (59 %). Dr. Thilo Pahl: „Der verhaltene Hoffnungsschimmer zeigt sich auch in den leicht rückläufigen Risikobewertungen. Für eine spürbare Verunsicherung sorgt hingegen das von der US-Regierung verursachte Zollchaos. Inzwischen geben 43 % der Unternehmen an, dass die Nachfrage aus dem Ausland ein wesentliches Geschäftsrisiko ist. In den letzten 15 Jahren wurde nur zu Beginn der Corona-Pandemie die Auslandsnachfrage als ein noch größeres Geschäftsrisiko bewertet.“
Kleine Lichtblicke in der Industrie
Die Industrieunternehmen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe bewerten ihre Geschäftslage etwas positiver als zu Jahresbeginn. 21 % melden aktuell gute Geschäfte – das ist der höchste Wert seit zwei Jahren. Gleichzeitig berichten aber 32 % von einer weiterhin schlechten Geschäftslage. Die Geschäftserwartungen hellen sich im Vergleich zum Jahresbeginn ebenfalls auf und erreichen ein Zweijahreshoch. Walter Viegener: „Ein weiterer kleiner Lichtblick ist die wieder etwas bessere Produktionsauslastung. Die Auftragslage bleibt zwar angespannt, verbessert sich aber im Vergleich zu den äußerst düsteren Werten zu Jahresbeginn. Impulse aus dem Ausland sehen die Industrieunternehmen allerdings kaum. Mit Sorge blicken zahlreiche Betriebe über den Atlantik.“ Mehr als jedes zweite exportorientierte Industrieunternehmen ist von der US-amerikanischen Handelspolitik betroffen und erwartet negative Auswirkungen auf sein gesamtes Exportgeschäft. 68 % sehen ihr US-Exportgeschäft bedroht. „In diesen turbulenten, zumeist chaotischen transatlantischen Zeiten gilt es besonnen zu reagieren und Vernunft walten zu lassen. Denn die USA sind ein wichtiger Handelspartner und sollen es auch bleiben“, so der Präsident der IHK Siegen.
Auftragsbestand im Baugewerbe zumeist ausreichend
Im Bausektor überwiegen bei der Lagebewertung die positiven Einschätzungen. 31 % der Bauunternehmen melden eine gute Geschäftslage und 21 % eine schlechte. Der Blick auf die kommenden Monate ist jedoch deutlich getrübt und nur geringfügig besser als zu Jahresbeginn. Stephan Häger, Leiter des Referates Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik: „Aktuell zehren die regionalen Bauunternehmen von einem zumeist noch ausreichenden Auftragsbestand. Aber die Bücher leeren sich spürbar – und Neuaufträge sind insbesondere im Hochbau, aber auch in Teilen des Ausbaugewerbes häufig Mangelware. Zudem belasten die hohen Materialpreise, Lohnkosten, fehlende Fachkräfte, Bürokratie und die allgemeine Verunsicherung die Branche stark. Inwieweit die regionalen Bauunternehmen von den Infrastrukturmilliarden der Bundesregierung profitieren, bleibt abzuwarten. Die Betriebe sind eher skeptisch.“ Kein Unternehmen geht von zukünftig besseren Geschäften aus. Ein Drittel erwartet schlechtere.
Zuversicht im Großhandel steigt
Im regionalen Großhandel verschlechtert sich die Geschäftslage merklich und nähert sich dem Tiefstwert der letzten 15 Jahre. Insbesondere der produktionsnahe Großhandel leidet unter mangelnden Aufträgen und den verhaltenen Investitionsabsichten. Mit Blick auf die kommenden Monate steigt hingegen die Zuversicht auf ein Dreijahreshoch. 24 % der Großhändler blicken optimistisch in die Zukunft. Zu Jahresbeginn waren es nur 12 %.
Im Einzelhandel bleibt die Geschäftslage angespannt. Auch die Geschäftserwartungen bleiben düster. Nur 4 % der Einzelhändler erwarten in den kommenden Monaten bessere Geschäfte. Stephan Häger: „Von Kauflust berichten die wenigsten Händler. Ganz im Gegenteil: Der Konsum stockt. Die Kaufzurückhaltung der Kundschaft bleibt auf einem hohen Niveau. Die Verbraucher halten ihr Geld weiter zusammen.“ Sieben von zehn Einzelhändlern berichten von einem zurückhaltenden Kaufverhalten. Jeder Zweite berichtet von schlechteren Umsätzen und bei acht von zehn Händlern hat sich die Ertragslage verschlechtert.
Stimmung im Dienstleistungsgewerbe heterogen
Die Stimmung im regionalen Dienstleistungsgewerbe ist im Frühjahr heterogen. Während im Verkehrsgewerbe und bei den unternehmensbezogenen Dienstleistern sowohl bei der Lage als auch bei den Geschäftserwartungen die positiven Meldungen überwiegen, bleibt die Stimmung bei den personenbezogenen Dienstleistern und im Gastgewerbe angespannt. Die Belastungen durch die hohen Energie- und Rohstoffpreise, Arbeitskosten, Arbeitskräftemangel und Konsumzurückhaltung bleiben groß.