Diskussion um die Märkischen Kliniken

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Mehr als 153 Millionen Euro investiert der Kreis in den nächsten Jahren in seine Märkischen Kliniken. Archivfoto: Hendrik Klein

Kommunen kritisieren Mitfinanzierung über die Kreisumlage

Von Hendrik Klein

Die Märkischen Kliniken kommen dem Eigentümer Märkischer Kreis in den nächsten Jahren teuer zu stehen. 153 Millionen Euro will der Kreis bis zum Jahr 2033 Jahren in sein Haus der Spitzenversorgung in Lüdenscheid investierten, vor allem in den Brandschutz. Das hatten die Mitglieder des Kreistages in ihrer Sitzung am 9. Dezember 2022 beschlossen. Die Zuschüsse verteilen sich in den kommenden Jahren wie folgt: in diesem Jahr 22,607 Millionen Euro, im kommenden Jahr 18,7 Millionen Euro und im Jahr 2026 genau 12.894 Millionen Euro.

Jährlich 140.000 Patienten

„Der Märkische Kreistag bekräftigt seine bisherige Linie und Verantwortung, die Märkischen Kliniken als Haus der Vollversorgung zu sichern. Das Klinikum Lüdenscheid mit seinen knapp 4.000 Beschäftigten, 29 Kliniken und Instituten, ist das größte Krankenhaus in Südwestfalen. Jährlich werden rd. 40.000 Patienten stationär und ca. 100.000 Patienten ambulant versorgt. Mit den jüngsten finanziellen Entscheidungen des Märkischen Kreises zur Modernisierung des Klinikums ist neues Vertrauen zur Zukunft der M-Kliniken entstanden“. Allerdings beschlossen die Gesundheitspolitiker auch: „Der Kreistag erwartet von der Geschäftsleitung, dem Aufsichtsrat der Kliniken sowie der Kreisverwaltung alle möglichen Schritte, insbesondere gegenüber den Krankenkassen, der Bundesregierung und der Landesregierung NRW, für den Vollversorger Märkische Kliniken ein uneingeschränktes Engagement.“

Kritik aus den Städten und Gemeinden

Gegen das klare Bekenntnis für die Märkischen Kliniken – vor allem deren Finanzierung aus der allgemeinen Kreisumlage – regt sich zu nehmend Kritik aus den Städten und Gemeinden. Die finanziell angeschlagenen Kommunen drücken nicht zuletzt die Lasten aus der Kreisumlage. Deshalb formulierte der Mendener Bürgermeister Dr. Roland Schröder im Rahmen der sogenannten „Benehmensherstellung“ zum Haushaltsplanentwurf 2024 des Kreises im Auftrag der Verwaltungsführungen: „Auch unter Berücksichtigung der vorgesehenen Entnahme aus der Ausgleichsrücklage ergebe sich die Mehrbelastung für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden von mehr als 49 Millionen Euro – eine Steigerung des Umlagebedarfs um 16,5 Prozent.“

59 Millionen Euro zu viel Kreisumlage gezahlt

Und weiter kritisieren die Bürgermeisterin und die Bürgermeister: „Mit dem im Schreiben zu den Eckdaten des Haushalts angekündigten vorläufigen Jahresergebnis von 15 Millionen Euro Überschuss für das Jahr 2022 erhöht sich die Ausgleichsrücklage auf ca. 59 Millionen Euro. Somit haben die kreisangehörigen Kommunen seit dem Jahr 2015 insgesamt 59 Millionen Euro Guthaben angespart, die über die zu viel bezahlte Kreisumlage in die Ausgleichsrücklage des Kreises geflossen sind.“

Kommunen schalten Anwalt ein

Jetzt werden sie quasi auch noch an der Sanierung der Märkischen Kliniken finanziell über die Allgemeine Umlage beteiligt. Andere Krankenhäuser im Märkischen Kreis profitieren nicht. Darauf haben die Kommunen reagiert und eine Kölner Anwaltskanzlei beauftragt, von Landrat Marco Voge Informationen darüber anzufordern, wofür die 153 Millionen Euro genau ausgegeben werden sollen. Nicht zuletzt geht es auch um die Frage: Ist es Sache eines umlagefinanzierten Haushalts, eine Gesundheitsholding wie die der Märkischen Kliniken zu unterstützen? Denn außer den Investitions-Ausgaben geht es auch darum, die Verluste auszugleichen.

„Kreise können Krankenhäuser betreiben“

Auf eine Anfrage der Redaktion antwortet die Pressestelle des Kreises wie folgt: „Im Rahmen der Daseinsvorsorge können Kreise gemäß § 53 Kreisordnung in Verbindung mit § 107 der Gemeindeordnung Krankenhäuser betreiben. Der gesetzliche Versorgungsauftrag besteht, sofern die Krankenhausversorgung nicht von anderen Trägern, z.B. von Kirchen oder Unternehmen, erfüllt wird. Gemäß § 1 des Krankenhausgestaltungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KHGG NRW) ist eine patienten- und bedarfsgerechte gestufte wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung durch Krankenhäuser sicherzustellen. Die Krankenversorgung in Krankenhäusern sicherzustellen, ist eine öffentliche Aufgabe des Landes. Gemeinden und Gemeindeverbände wirken nach Maßgabe dieses Gesetzes dabei mit. Krankenhausträger sind in der Regel freie gemeinnützige, kommunale, private Träger und das Land. Falls sich kein anderer geeigneter Träger findet, sind Gemeinden und Gemeindeverbände verpflichtet, Krankenhäuser zu errichten und zu betreiben.“

Märkische Kliniken für Daseinsvorsorge erforderlich

Im Märkischen Kreis seien die Märkischen Kliniken zwingend für die Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger erforderlich. Daher sei der Kreis Gesellschafter der Märkischen Kliniken und zahle demnach auf sein Eigentum ein. Mit den Kliniken betätige sich der Kreis in einer privaten Rechtsform. Das Kreisklinikum müsse in seinem Versorgungsgebiet die nach den Vorgaben des Landes definierten Leistungen erbringen. Im Jahr werden ca. 16.000 Notfallpatienten versorgt, die anderweitig keine Behandlung bekommen würden.

Und weiter heißt es in der Stellungnahme: „Verlustausgleiche für Kreiskliniken durch einen Kreis sind nach obergerichtlicher Rechtsprechung rechtmäßig. Das haben der Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht Stuttgart für die vom Landkreis Calw geleisteten Zahlungen an die Kreiskliniken Calw und Nagold entschieden. Eine Anspruchsgrundlage für andere Klinikträger auf eine Unterstützung durch den Märkischen Kreis besteht aus Sicht des Kreises demnach nicht.“ Eine ebenfalls von den Märkischen Kliniken erbetene Stellungnahme blieb bis heute aus.

Gutachten soll Klarheit bringen

„Wenn wir nicht alle an einem Strang ziehen, Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Politik, dann wird es sehr schwierig,“ hatte SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag Wolfgang Rothstein unlängst formuliert.  Dass „viele Kliniken in wirtschaftlicher Schieflage sind, nicht nur wir“, stellte CDU-Fraktionsvorsitzender Karsten Meininghaus fest. Wie schief die Lage ist und wie gegengesteuert werden kann, soll durch ein Gutachten festgestellt werden, das der Märkische Kreis über seine Märkische Kommunale Wirtschaftsgesellschaft (MKG) als Gesellschafter der Kliniken in Auftrag gegeben. Die 150.000 bis 200.000 Euro teure Expertise soll feststellen, wie die Kliniken aufgestellt sein müssen, um wirtschaftlich zu sein. Für eine solche Bewertung müsse die Struktur der Kliniken beleuchtet werden.

Klinikverbund im Nordkreis

Anders die Entwicklung im Nordkreis. Das Bethanien Krankenhaus gehört seit dem 1. April 2023 zu den Katholischen Kliniken im Märkischen Kreis (KKiMK) und somit zum St. Elisabeth Hospital Iserlohn und dem St. Vincenz Krankenhaus Menden. Die Katholischen Kliniken im Märkischen Kreis (KKiMK) mit dem verbundenen Katholischen Krankenhaus Hagen (KKH) planen zusammen mit dem Agaplesion Allgemeines Krankenhaus Hagen (AKH) ein gemeinsames Erneuerungs- und Restrukturierungsprojekt für ihre Krankenhäuser. Ziel ist es, die medizinische Versorgung im nördlichen Märkischen Kreis und Hagen auf ein deutlich höheres Niveau zu heben und zugleich die Klinikstandorte durch eine leistungsfähigere, schlankere und effizientere Struktur wirtschaftlich zu sichern. Die Klinikträger wollen damit die historische Chance nutzen, die Krankenhausstruktur proaktiv gemeinsam neu zu gestalten. Fördermittel des Landes NRW aus dem Krankenhausstrukturfonds in Höhe von über 140 Millionen Euro sind beantragt und sollen direkt in die Kliniken fließen.

Beske sagte Krankenhaus-Schließungen voraus

Dass sich die Krankenhauslandschaft im Märkischen Kreis verändern wird, hatte Prof. Dr. med. MPH Fritz Beske, Geschäftsführer des Instituts für Gesundheits-System-Forschung aus Kiel, bereits in den 90er Jahren vorhergesagt. In seinem Gutachten war die Schließung von vier Krankenhäusern im Märkischen Kreis vorgeschlagen worden: St. Vinzenz-Krankenhaus Altena mit 152 Planbetten, St. Marien-Hospital in Balve mit 100 Betten, Marienhospital in Letmathe mit 120 Betten sowie das Kreiskrankenhaus Werdohl mit ebenfalls 120 Betten. Überlebt hat davon tatsächlich nur die Stadtklinik Werdohl, die ihrerseits zur Märkischen Gesundheitsholding gehört.

wave.inc

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